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Kennenlernen im Herbst 2023

Im Herbst 2023 treffe ich auf Laura und Vicky aus Pritzwalk. Sie sind beide Schülerinnen des Pritzwalker Gymnasiums und tanzen gern. Sie tanzen so gern und sind nach der Schule so beschäftigt, dass schnell klar wird: wir können uns eigentlich nur an Dienstagen treffen, den Rest der Woche sind sie schon ausgebucht!

Wir holen uns ein Eis beim Italiener, setzen uns in den Pritzwalker Stadtpark und reden einfach. Über das Projekt und die Möglichkeiten. Wen wir kennenlernen wollen, wer interessant sein könnte. „Interessante Persönlichkeiten des Landkreises zu treffen“, war die Vorgabe an das Projekt, aber das ist ein weites Feld! Denn wer interessant für die Jugendlichen ist, bestimmen sie selbst. Ich schlage ein paar Gesprächspartner:innen vor, dann die Mädels. Laura ist begeistert von der Idee, einen Politiker / eine Politikerin zu treffen. Mir, die das Projekt koordiniert, ist es wichtig, dass wir uns, wenn wir schon ein kleines journalistisches Format etablieren, vorher mit einem Journalisten / einer Journalistin treffen, um uns über die wichtigsten Regeln der Recherche und Informationsbeschaffung zu informieren. Damit sind die beiden einverstanden. Vicky, die gern Medizin studieren möchte, will sich unbedingt über die medizinische Versorgung im Landkreise informieren.

Wir reden noch weiter, sprechen über die Schule und ihr Leben hier. Laura träumt schon jetzt davon, die Prignitz endlich zu verlassen. „Nur weg hier“, ist das Motto. Warum, frage ich. Die Antwort ist wohl dieselbe wie vor fünfundzwanzig Jahren, als ich selbst die Gegend verließ: Nichts los für die Jugend. Obwohl mich das wundert, als ich höre, wieviele Freizeitaktivitäten die beiden haben. Auch bemüht sich die Pritzwalker Stadtverwaltung sehr um die Jugend, überall entstehen neue Spielplätze und Angebote für Familien, aber aus dem Alter sind die Mädels eben schon raus. Es fehlt ihnen etwas. Auch die Anbindung durch den öffentlichen Nahverkehr an Freunde, die in den umliegenden Dörfern wohnen, ist mehr als ausbaubedürftig. „Wir sind schon fast erwachsen und müssen uns immer noch von unseren Eltern in der Gegend rumkutschieren lassen!“ erzählen die beiden. Auch dass es tolle Stadtfeste in Pritzwalk gibt, das Frühlingserwachen, das Herbstleuchten, aber es müsste mehr für die Jugend geben.

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  1. JUGEND FILMT Treffen in Perleberg mit Bernd Atzenroth – November 2023

Bernd Atzenroth hat fast dreißig Jahre als Journalist für die Märkische Allgemeine Zeitung in der Prignitz gearbeitet. Es gibt hier eigentlich niemanden, der ihn nicht kennt. 2023 wurde ihm ein Wechsel in die Öffentlichkeitsarbeit des Landkreises Prignitz angeboten. Er hat lange über diese Entscheidung nachgedacht, sich dann aber dafür entschieden. Motto „Perspektivwechsel“.

Ich hole Laura und Vicky vor dem Gymnasium in Pritzwalk ab und wir fahren in der blauen Stunde nach Perleberg, wo sich der Sitz des Landkreises befindet. Im Eingangsbereich des Gebäudes steht schon ein geschmückter Weihnachtsbaum. Als wir Bernd Atzenroth in seinem Büro treffen, hat er gerade den Telefonhörer aufgelegt. Wir stellen uns und das Projekt vor und fangen an zu sprechen.

Bernd Atzenroth ist gebürtiger Rheinländer und hat nach einem Politikwissenschaftsstudium seine Journalistenlaufbahn in Bonn begonnen. Anfang der Neunzigerjahre zog es ihn in den Osten, in die Prignitz, wo er seitdem lebt und arbeitet. „Sagen, was ist.“, ist immer seine Herangehensweise an den Journalismus gewesen, erklärt er uns. Der Spruch stammt von Rudolf Augstein, dem ehemaligen Spiegel-Chefredakteur, der hatte es von Rosa Luxemburg, die wiederum zitierte Ferdinand Lassalle. Es bedeutet nicht mehr und nicht weniger als den Auftrag, die Lage der Welt um sich herum abzubilden, festzuhalten. Diese Verpflichtung steht sogar im Grundgesetz Art. 5, Absatz 2. Die Mädchen fragen Bernd Atzenroth nach den wichtigsten Tools des Berufes aus: Informationen immer gegenchecken, nicht einfach Informationen aus dem Netz als Quelle trauen, prüfen, überprüfen, Statistiken lesen. Das klingt erst einmal nicht so spannend, ist es aber, sagt der Journalist Atzenroth, denn man lernt im Laufe der Jahre viele Menschen kennen und blickt hinter die Kulissen. Ein Netzwerk für Informationsbeschaffung muss man sich bauen, und: keine Angst haben, Fragen zu stellen.

Wir hatten im Vorfeld besprochen, dass wir möglichst viel über den Beruf des Journalisten erfahren wollen, aber ich hatte Vicky und Laura auch gebeten, ihre „Wünsche an die Politik“ zu formulieren. Und so landeten wir schnell bei den öffentlichen Verkehrsmitteln und der Anbindung im ländlichen Raum. Öffentlicher Schienen-Nahverkehr ist „Ländersache“, erklärt Bernd Atzenroth, und dieser wird über „Bedarfserfassungen“ bemessen und kalkuliert. Kurz gesagt: In der Prignitz leben auf viel Fläche so wenig Menschen, dass mehr „Bedarf“ nicht erfasst werden kann als schon vorhanden ist. Und: die Reformprozesse sind langwierig, wie eigentlich alles, das in der Politik entschieden wird. Noch kürzer gefasst: So schnell kann und wird sich nichts ändern. Verkehrswende? Hier in der Prignitz merkt man nicht viel davon.

Vicky erkundigt sich nach der gesundheitlichen Versorgung im Landkreis. In den nächsten fünf Jahren wird fast die Hälfte aller ansässigen Ärzt:innen in den Ruhestand gehen. Bernd Atzenroth weiß um die Probleme der Versorgungslage. Er erzählt uns, dass das Thema neben dem Fachkräftemangel an oberster Stelle für den Landrat Christian Müller steht.

Eine Stunde ist schnell rum. Auf der Autofahrt zurück werten wir das Gespräch aus.